Sozialistische Zeitung |
Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank hatten im vergangenen Herbst auf ihrer gemeinsamen Jahrestagung in Prag
beschlossen, den afrikanischen Kontinent mehr als bisher ins Zentrum ihrer Aktivitäten zu stellen.
Auf der seit Bestehen der beiden Institutionen ersten gemeinsamen Reise nach Afrika wollten sie
vom 18. bis 25.Februar mit Politikern und Vertretern der "Zivilgesellschaft" die Probleme des Kontinents diskutieren: "bessere
Regierungsführung, Beilegung von Konflikten, notwendige Investitionen in die Bevölkerung, mit dem Schwerpunkt Bildung und Gesundheit und einem
konzertierten Vorgehen gegen HIV und AIDS".
Callisto Madavo, Vizepräsident der Weltbank für die afrikanische Region, sagte schon
im Vorfeld der Reise, dass sich der Umgang mit dem Kontinent im Vergleich zu vergangenen Jahren "sehr verändert" hätte. "Wir
hören mehr zu und lassen den Afrikanern mehr Raum, damit sie ihre eigenen Leistungen" zur Geltung bringen könnten, so Madavo.
Das Programm der Rundreise sah nicht vor, die Auslandsverschuldung als eine Ursache der
wirtschaftlichen und sozialen Krise der Subsahara zu benennen. Doch die beiden Köpfe der internationalen Finanzinstitutionen, Horst Köhler (IWF) und
James Wolfensohn (Weltbank), die gekommen waren, um "zuzuhören", wurden nahezu auf jeder ihrer Etappen mit aller Deutlichkeit darauf
hingewiesen.
Auf dem Weg zu ihrem ersten Regionaltreffen mit Regierungs- und Zivilgesellschaftsvertretern aus
der Wissenschafts- und Geschäftswelt in Bamoko, der Hauptstadt von Mali, wurden sie am 20.Februar vor den Türen des Tagungsgebäudes von
Demonstranten empfangen. "Streicht die Schulden für eine besseres Bildungssystem", "IWF/Weltbank = Armut = AIDS =
Katastrophe" und "Weltbank und IWF morden unsere Bevölkerung" war auf ihren Transparenten zu lesen.
"Ich weiß, es ist schwierig aber wir sind hier, um euch zu helfen",
beschwor Wolfensohn, der in einen traditionellen Umhang gekleidet war, die Demonstranten. Köhler sagte mit Hilfe eines Übersetzers, dass er die dort
vorgetragene Einschätzung der Schuldenkrise nicht teile. "Sicher sind Schulden ein Problem, aber man kann nicht behaupten, dass sie ein Verbrechen
gegen die Menschlichkeit wären", versuchte der IWF-Direktor zu beschwichtigen.
Widerspruch erntete er dafür von Aminata Toure Barry, malische Sprecherin von Jubilee 2000,
der internationalen Kampagne für Schuldenstreichung: "Wir demonstrieren hier gegen die Politik der internationalen Finanzinstitutionen, weil IWF und
Weltbank die Quelle der Armut in unseren Ländern sind." Sieben Millionen Kinder müssten jedes Jahr wegen der Schuldenkrise sterben. Die
ungeheure Summe von Zinszahlungen hätten zur Folge, dass nicht ausreichend finanzielle Mittel für Bildung, Medikamente und Sozialprogramme zur
Verfügung stehen, erklärte Barry.
Auch im Innern des Gebäudes wurden Köhler und Wolfensohn mit der Verschuldung
konfrontiert. Allerdings waren sich die insgesamt zehn anwesenden Regierungschefs in dieser Frage nicht einig. Während sich der Präsident von Gabun,
Omar Bongo, für eine bedingungslose und unmittelbare Streichung der Schulden aussprach, wies Abdoulaye Wade, Präsident von Senegal, dieses
Anliegen zurück und kritisierte auch die Demonstranten.
Wade, der das Treffen mit den Finanzchefs optimistisch als ersten Schritt "auf einem neuen
Weg" bezeichnete, will zunächst "verstehen, wie die Verschuldung zustande gekommen ist." Anderenfalls würden
möglicherweise die Schulden gestrichen und "alles würde von vorne beginnen".
In Nigeria, der zweiten Etappe ihrer Reise, trafen sich Köhler und Wolfensohn mit dem
dortigen Präsidenten Olusegun Obasanjo. Dem bevölkerungsreichsten Land in Afrika mit enormen Erdölvorkommen sicherte die Weltbank weitere
Kredite in Höhe von 400 Millionen Dollar bis zum Ende ihres Haushaltsjahres im Juni zu.
Auf einem jüngsten Treffen des IWF-Exekutivkommitees, so Köhler, sei zudem
technische Unterstützung für die Umsetzung des Wirtschaftsprogramms der Regierung zugesagt worden. In Nigeria verwiesen Wolfensohn und
Köhler die Anfrage nach einem Schuldenerlass an einen anderen Adressaten: nicht an den IWF und die Weltbank, sondern an den Pariser Club, den
Zusammenschluss der Gläubigerländer, müsste diese Forderung gestellt werden. Dafür sei es allerdings nötig, das Vertrauen des
Clubs wieder zu gewinnen und den sinnvollen Einsatz der neuen Kredite der Weltbank unter Beweis zu stellen.
In Kenya lehnten die Vertreter der Finanzinstitutionen es ab, ein Datum für die Freigabe der
seit Januar eingefrorenen Kreditzahlungen an die Regierung zu nennen. Präsident Daniel arap Moi konnte die vom IWF erhobenen Vorwürfe eines
"schweren Rückfalls" bei der Korruptionsbekämpfung nicht ausreichend entkräften.
Auf dem zweiten Regionalgipfel in Tanzania gab es ein Treffen mit Regierungsvertretern aus ost- und
südafrikanischen Ländern. Auch hier ging es um die verheerenden Auswirkungen von HIV und AIDS. Anstatt zusätzliche Kredite zur
Verfügung zu stellen, sollten die Finanzinstitutionen wirkliche finanzielle Hilfe zur Bekämpfung der Krankheit gewähren, so die afrikanischen
Staatsmänner. Die bisherige Praxis würde den ohnehin schon hohen Schuldenberg nur weiter anwachsen lassen.
Gerhard Klas
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